Wissenschaft meets Radsport – im Gespräch mit Lukas Löer von SCYENCE

Von Anfang an ist Lukas Teil des VOTEC Endeavor Projects. Der Sportwissenschaftler wird in Zukunft seine Profession mit seiner Passion verbinden und hat dafür mit Partnern SCYENCE gegründet. Wir sprechen mit Lukas über die Inhalte von SCYENCE, seine Pläne und vor allem die wissenschaftlichen Erkenntnisse und Übersetzungen, denen er und sein Team sich widmen werden.

Fotos: SCYENCE / Sebastian Samek

Nach dem Start Mitte Mai finden sich bei scyence.cc bereits die ersten Artikel zur Trainingsplanung, Selbstversuche zur VLamax und vieles mehr. Und im Grunde bilden diese Artikel das Portfolio ganz gut ab – zwischen Zugänglichkeit und wissenschaftlichen Erkenntnissen, zwischen Spaß am Fahren und Höchstleistungen. 

Lukas‘ erstes Ziel für 2022, neben dem Aufbau von SCYENCE, war das Unbound Gravel Race, das Anfang Juni in Kansas stattfand. Zum Artikel geht es hier.

Hallo Lukas, ihr habt gerade SCYENCE gelauncht. Erzähl doch mal um was es dabei geht und wie das Team aufgestellt ist?  

Es geht – wie der Name SCYENCE auch schon so ein bisschen andeuten möchte – darum, die Wissenschaft im Radsport zu untersuchen; sprich ‘science’, das englische Wort für Wissenschaft und ‘cycling’, weswegen SCYENCE auch mit y geschrieben wird. Also Radsportwissenschaften ist unser Stichwort und wir versuchen den Leuten auf unterhaltsame Weise auf verschiedenen Medien die sportwissenschaftlichen Inhalte im Ausdauersport, insbesondere im Radsport, schmackhaft zu machen und ihnen etwas mitzugeben. Wir möchten den Leuten über Social Media, YouTube und unseren Podcast unsere Erfahrungen vermitteln, möchten schauen was es an aktuellen Erkenntnissen in der Sportwissenschaft gibt und wie wir das in unserem Training nutzen können. Aber auch welchen Einfluss es auf unsere Ernährung haben kann. Wir, das sind Sebastian Samek, als Producer und Editor, dann Lennart Klein und ich, Lukas Löer, wir drei, das Trio von SCYENCE, versuchen den Leuten die trockenen, sportwissenschaftlichen Inhalte so zugänglich wie möglich zu übermitteln.

Ihr schlagt die Brücke von Wissenschaft zu Radfahren – hier gibt es ja schon sehr viel, welche Lücke möchtet ihr denn gern schließen?  

Wir versuchen vor allem durch Infotainment zu überzeugen. Wenn jemand sagt er hat das Video oder die Podcastfolge mega genossen und dabei sogar noch richtig was gelernt, dann ist das genau das, was wir erreichen wollen. Dann machen wir selber unsere eigenen Projekte. Ich war erst beim Unbound, dann haben wir noch kleinere Gravelrennen. Lennart wird eine Kriterienserie in Chicago fahren mit zehn Rennen an zehn Tagen. Dort versuchen wir einfach unsere Erfahrungen den Leuten mitzugeben. Theoretische wissenschaftliche Erkenntnisse in die Praxis zu übersetzen und auch mal zu sehen, wie sich gewisse Bereiche oder Anpassungen in der Realität anfühlen. Wir versuchen einfach beides zu erreichen: Dass die Leute sich relativ entspannt unsere Inhalte anschauen oder durchlesen können und dabei noch etwas mitnehmen. 


Hast du vielleicht Beispiele, wo ihr wissenschaftliche Arbeit mit einer sehr hohen Praxisorientierung zusammenbekommt?  

Da könnte ich wahrscheinlich einige Beispiele aufzählen, aber am einfachsten ist es im Grunde anhand der Trainingsplanung erklärt. Die Leute können sich, wenn sie unserer Arbeit vertrauen, jederzeit online Trainingspläne kaufen. Sie suchen sich zum Beispiel einen zwölf-Wochen Vorbereitungsplan für ihr eigenes Event. Wir versuchen sie dahin zu begleiten und zusätzlich auch noch Informationen mitzugeben. Ein Thema, wo wissenschaftliche Arbeit sehr in die Praxis reinkommt, ist gerade die Erkenntnis, was an Kohlenhydrataufnahme gut funktioniert. Hier auch noch mal die Brücke zum Unbound: Ich habe es dort geschafft, eine sehr hohe Kohlenhydratmenge aufzunehmen. Wir können dann klar herausarbeiten, welche Produkte hier funktionieren können und warum in manchen Phasen des Rennens die Aufnahme nur noch schwer funktioniert. Dafür haben wir auch mit Analysetools gearbeitet. Und so haben wir eben diesen klaren Trainingsplan, aber auch unsere wissenschaftlich fundierte Erfahrung. 



Was sind denn die Themen, die dich gerade am meisten interessieren? Wo siehst du inhaltlichen Nachholbedarf?  

Das ist aktuell sehr spezifisch und sehr nerdig, aber ich beschäftige mich gerade umfangreich mit Sauerstoffsättigung im Leistungssport. Wir sind technisch mittlerweile in der Lage, den Sauerstoffgehalt unserer aktiven Muskulatur live zu messen. So sehe ich, wie bestimmte Muskelareale über eine Belastung hinweg versorgt werden. Das fasziniert mich sehr. Die Geräte sind jetzt sagen wir mal nicht günstig, aber auch nicht utopisch teuer. So sehen vielleicht mehr Menschen das Potenzial darin, ihr Training damit effizienter zu bekommen. Inhaltlichen Nachholbedarf sehe ich insbesondere beim Thema Sauerstoffsättigung im Training. Wir haben nun zum ersten Mal wirklich die Möglichkeit, physiologische Messwerte aufzuzeichnen, also quasi etwas was im Körper passiert bei Belastung, uns live anzeigen zu können, live darauf reagieren oder auch im Nachhinein über umfangreiche Daten das Ganze analysieren zu können. Neben der Herzfrequenz, die natürlich auch sehr im Fokus steht die letzten Jahre, ist das der nächste Parameter, der jetzt mehr in die Analyse gerät und ich denke ein großes Potential hat in Zukunft, für alle, nicht nur Hobbysportler, auch Profisportler, die damit dann arbeiten können. 

Du bist vor einigen Wochen ja das Unbound gefahren – welchen Einfluss hatte die intensive Beschäftigung mit SCYENCE auf deine Vorbereitung und dein Rennen?  

Der Hauptpunkt wäre auf jeden Fall die zeitlichen Kapazitäten, das muss man einfach sagen. So ist es vielleicht auch für viele Hobbysportler, Trainingsvolumina nachzuvollziehen, die vielleicht nicht in diesen Profibereich reingehen und die brauchen das auch gar nicht für so eine Belastung. Also nicht die 20, 25 Stunden pro Woche Training, sondern eher Richtung zehn Stunden pro Woche, die, ich würde mal behaupten, viele der Arbeitnehmer auch relativ gut in ihr eigenes Training, oder ihre eigene Wochenstruktur integrieren können. Das wäre zumindest der Hauptfokus, ich hätte gerne einige umfangreichere Einheiten noch eingebaut. Ich habe nur eine längere Einheit von acht Stunden eingebaut. Dennoch würde ich sagen, was die Performance anbetrifft, kann ich mich absolut nicht beklagen. Aber die SCYENCE-Kontakte haben mir natürlich auch geholfen. Ich konnte im Vorfeld einmal mit einer mobilen Spiro fahren. So konnte ich live die Sauerstoffaufnahme messen und daraus auch Erkenntnisse gewinnen. Ich konnte meine Sauerstoffsättigung, also wirklich die lokale Sauerstoffsättigung meiner Muskulatur, über Gadgets messen. Wie gesagt größter und einziger Nachteil war die zeitliche Kapazität und dann natürlich auch so ein bisschen das Training drumherum, den Stress drumherum. Aber ich habe gelernt, die zehn Kilometer, die ich zu unserem Studio brauche, als Trainingseinheit nutzen zu können und so viel wie möglich mit dem Rad zu fahren. Dadurch konnte ich das auch in meinem Training als gewinnbringende Einheiten verbuchen und gleichzeitig eben den Arbeitsweg beschreiten. Das war sehr, sehr praktisch.

Nun erstellt ihr ja auch Trainingspläne. Die Orbit360 – Serie läuft gerade. Wenn ich mich dazu entschließe, dieses Jahr ein oder zwei Strecken zu fahren, mein Trainingszustand aber eher unterirdisch ist, hast du Tipps, wie ich in vier Wochen halbwegs fit werde neben Arbeit und Kindern?  

Unser 4-Wochenplan ist genau darauf ausgelegt. Ideal wäre es aber natürlich, wenn man sich ein wenig mehr Zeit nehmen kann – das macht es entspannter und natürlich gewinnt auch der Output. Natürlich können die Pläne, die wir erstellt haben, jeden Athleten/ jede Athletin auf ein gewisses Level anheben, egal von welchem Stand man kommt. Es ist immer prozentual von der absoluten Leistung abhängig, das bedeutet es ist egal, ob du viel Potential in deinem Leistungsaufbau hast oder schon sehr, sehr gut bist. Zusätzlich stehen viele vor der Herausforderung, wie die letzten Tage vor dem Rennen aussehen. Was soll ich denn beim Rennen machen, wie soll ich denn meinen Orbit am besten gestalten, wie soll ich das Pacing angehen und die Ernährung? So versuchen wir auch, die Leute dort ein bisschen mitzunehmen, kleine Informationen zusätzlich zu ergänzen und reinzuschreiben. Und ich denke der Plan ist neben der physiologischen Verbesserung auch ein lehrreicher Plan, wo Leute noch ein bisschen was mitnehmen können und eine Guideline bekommen. Versucht doch mal Arbeitswege auch als Training zu nutzen und wenn es dann nur auf dem Stadtrad ist, oder sich wirklich noch mal in die Radklamotten zu schmeißen, wirklich eine halbe Stunde zur Arbeit zu fahren. Das sind alles Trainingskilometer. So kann man über einen längeren Umweg nach Hause relativ zeiteffizient Kilometer absolvieren, bevor man das erst mit dem Auto eine halbe Stunde nach Hause fährt, sich dann nochmal umzieht und dann nochmal losmuss. So kann man solche Arbeitswege doch relativ gut nutzen und ansonsten ist es halt einfach eine Planungsgeschichte. 

Mehr zu SCYENCE gibt es auf
www.scyence.cc