The Traka – Wo Selbstzweifel in dichten Schotterschwaden verschwinden

Racing

Zum ausgehenden Tag der Arbeit, passenderweise, rollt sie über die Ziellinie. Das Gesicht von Schotterschwaden bedeckt, die auf Schweiß kleben. Blut rinnt den Arm hinab, ein zurückhaltendes Lächeln. Beim Fußball würde man jetzt „so sehen Sieger aus“ skandieren. Beim Gravelbiken geht es dann doch etwas zurückhaltender zu. Doch so sieht sie aus, die Siegerin des The Traka – Marion Dziwnik.

Fotos: Moritz Sauer

Doch gehen wir kurz auf Anfang. Also an die Startlinie des The Traka. Dieses Gravelrennens rund um die spanische Radhauptstadt Girona. Laut Wikipedia sind es vor allem der historische Stadtkern, die Stadtmauer und die Überreste der römischen Festung Forca Vella, für die Girona bekannt ist. Doch für alle Zweiradenthusiasten geht es in Girona vor allem ums Radfahren. Und das spannenderweise egal in welcher Disziplin. Hier finden sich Triathleten auf Trainingslager, legendäre Rennradrunden, aber auch zahlreiche anspruchsvolle Mountainbike-Trails. Und vielleicht ist Girona schon allein wegen dieser Vielfalt und Mischung prädestiniert für ein Rennen wie das The Traka.

Unsere VOTEC-Teamfahrer Thorben Haushahn und Marion Dziwnik vor dem Start des The Traka.

Für mich war es das dramatischste Radrennen, das ich je gefahren bin. Es gab Momente, in denen ich so am Limit war, dass mir jede Platzierung egal war, und Momente, in denen ich dachte, ich würde überhaupt nicht ins Ziel kommen.

Marion Dziwnik

360 Kilometer, 5.000 Höhenmeter – so die einfachen und doch harten Eckdaten des zweitägigen Gravelrennens. Und das auch noch, zumindestens für mitteleuropäische Verhältnisse, sehr früh in der Saison. Für Marion Dziwnik ist es, wie für viele andere, der Saisonauftakt. Sie reist mit ihrem Teamkollegen Thorben Haushahn aus dem VOTEC Endeavour Project an. Beide mit unterschiedlichen Zielsetzungen. Thorben ist vor allem ein starker Kriterienfahrer. Dieses Jahr legt er seinen Fokus allerdings ganz auf die erstmalig stattfindende UCI Gravel WM. Das The Traka ist eine Art Formtest. Nach einer nicht sehr lang zurückliegenden Corona-Infektion mit langer Trainingspause sind seine Erwartungen nicht zu hoch, doch im Notfall tut es eben der Landschaftsgenuss – und das vegane Eis in Girona, von dem hier alle so schwärmen. Für Marion ist es quasi der Auftakt der Rennsaison. Nachdem sie im vergangenen Jahr das Badlands furios gewann, geht sie hier nicht mehr als Underdog an den Start. Und doch ist der Start für sie von gewissen Selbstzweifeln durchsetzt, auch wenn Freunde und Bekannte sie als Favoritin handeln. 

Und so stehen beide am 30. April am Start, haben ihren Geolocator am Bike, die Startnummer, die Tourendaten auf dem GPS-Gerät und hängen ihren eigenen Gedanken nach und auch ihren ganz eigenen Erwartungen. Marion startet bei der Langvariante, Thorben bei der kürzeren 200 km Version – eben passend zur Gravel WM.

Das The Traka führt mit seinen 360 Kilometern Strecke zu Beginn direkt über zwei steile und bissige Anstiege. Hier soll sich das Feld verteilen. Einerseits aus Sicherheits-, vor allem aber auch aus Erlebnisgründen. Schotterstraßen bestimmen den Untergrund. 80 % sind es über die Strecke verteilt, 5 % Trails im Nationalpark und 15 % Nebenstraßen. Mit dem Start um 06 Uhr Ende April ist es ein ruhiger Start – die Natur schläft noch und die beiden ersten Anstiege, das Keuchen der Fahrer*innen und rollende Reifen sind das bestimmende Geräusch in der Landschaft. 

Als ich nach etwa 120 km zum ersten Mal auf mein Handy geguckt habe, waren die anderen beiden Frauen etwa 10km und 15km vor mir (es könnte aber auch sein, dass da schon mein Tracker gesponnen hat). „Puh, ist das schlecht“ dachte ich „15 km ist richtig viel. Das sind fast 45Min bei dem 22er Schnitt den ich gerade fahre.“ Gleichzeitig war ich aber auch so am Limit, dass ich mir nicht vorstellen konnte noch schneller zu fahren. In dem Moment habe ich eigentlich beschlossen, dass ich das Ranking ab jetzt vergesse und nur noch für mich fahre. Ich gebe einfach mein bestes und sehe wie weit ich komme. 

Marion Dziwnik

Im Grunde lässt sich das The Traka grob in drei Teile strukturieren. Auf den ersten 160 Kilometern werden gut zwei Drittel der Höhenmeter absolviert. Und das nicht wie man es vielleicht aus den Alpen kennt am Stück, sondern in einem Sägezahnprofil, das es in sich hat. Zwar liegt der höchste Punkt des Rennens noch knapp unter 500 m, doch der niedrigste beinahe auf Meereshöhe – und so bewegen sich die Fahrer*innen in diesem ersten Stück entweder in einem Anstieg oder in einer Abfahrt. Wirkliches Verschnaufen gibt es nicht, und den Kopf kann man maximal im Anstieg ausschalten.

Im zweiten Teil geht es erstaunlicherweise schon beinahe flach dahin. Es geht durch historische Ortschaften, wie Castello d’Empuries und Pals bis nach Cruilles. Kurz vor Pals wird das Profil auch wieder etwas coupierter – die Costa Brava wieder hügeliger. Und doch sind es eher kurze Anstiege und Ziel ist es in diesem Part sich so gut wie möglich für das Finale zu regenerieren. Hier gilt es eher im Strom mitzuschwimmen.

Die Streckenprofile des The Traka.

Ab Cruilles, wo 270 Kilometer bereits bewältigt sind, geht es wieder in die Berge. Hier geht es hinein in das Les Gavarres-Massiv und damit wieder in das altbekannte fordernde Sägezahnprofil. Für alle, die noch Augen für die Umgebung haben geht es hier in einen der spannendsten Teile des Rennens. Die Gegend rund um Cassa de la Salva ist voll mit römischen Überresten, mit historischen Kirchen, Aquädukten und vor allem ist sie ein ziemlich beeindruckendes Korkanbaugebiet. Doch ehrlicherweise ist der Blick und auch der Kopf nach 280 km im Sattel durchaus fokussiert aufs Durchhalten.

Die letzten 80 Kilometer sind weiterhin coupiert, wenn auch die Anstiege nicht mehr so lang und fordernd sind. Langsam wird es dunkel, die Nahrungsaufnahme hat immer weniger Einfluss auf die Kraft und der Tunnelblick wird immer ausgeprägter. Marion hat sich hier bereits an die Spitze setzen können, sie führt das The Traka souverän an und das trotz eines Sturzes, der ihr den linken Unterarm aufriss. Auch Thorben hat seinen Rhythmus gefunden. Er genießt seine zurückgekehrte Kraft, schwimmt bei den vorderen 10 % gut mit und fühlt sich in seinen Jahresplänen bestärkt. Es ist auch diese einsetzende Dunkelheit, die alle noch stärker zu sich bringen, in ihren eigenen Kopf hinein. Und vielleicht ist gerade das die Stärke von guten Langstreckenfahrer*innen – damit umzugehen, es vielleicht auch zu steuern und daraus Energie zu schöpfen. 

Und so vergehen eben auch die letzten 80 Kilometer – nicht wie im Flug, aber sie vergehen. Und im Ziel steht sie mit einem Lächeln, das ihre Freude über den Sieg, vor allem aber auch über das bestandene Abenteuer andeutet. Schon allein das Zielbild erzählt Geschichten von Blut, Schweiß und Tränen – nicht ganz martialisch gemeint, aber eben doch abenteuerlich. Und jetzt, gibt es erst einmal Schlaf, bevor sich am nächsten Morgen alle wieder beim Eis essen in Girona treffen – ganz so als wäre nichts gewesen.


Dr. Marion Dziwnik gewann 2021 das Badlands und ist Expertin für Nonstop-Langstreckenrennen. Sie ist Science Coordinator bei der Fraunhofergesellschaft. Das The Traka war für sie der Saisonauftakt, der auch 2022 das Badlands wieder fest im Blick hat. Sie bestritt das Rennen mit dem VOTEC VRC – dem Allroad im Portfolio. Ihr kommt das sportlichere Setup entgegen. Den geringeren Komfort kann sie mit ihrer Kraft und Erfahrung ausgleichen.

Thorben Haushahn ist der Berliner Kriterienspezialist im VOTEC Endeavour Project. 2022 hat er die UCI Gravel WM fest im Blick. Auch deshalb bestreitet er seine Rennserie auf dem VRX – dem waschechten Gravelracer von VOTEC.


The Traka

Das The Traka ist das bekannteste Gravelrennen des Eventteams von Klassmarks. Die Eventagentur organisiert zahlreiche Lauf- und Radevents rund um Girona. Ihnen geht es dabei um eine nachhaltige Entwicklung der Region und vor allem die Weiterentwicklung von nachhaltigem Tourismus. Sie legen größten Wert darauf einen minimalen Fußabdruck mit ihren Events zu hinterlassen.

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