Schlaflos in Spanien
Nach ihrem Sieg letztes Jahr stand Marion wieder an der Startlinie des Badlands, einem self supported Ultra-Endurance-Rennen mit 785 Kilometer und rund 15.000 Höhenmetern durch den Süden Spaniens. Ganz die Perfektionistin hatte sie trotz ihrer dominanten Performance in 2021 fast überall noch Optimierungspotential gefunden. 2022 kam sie als fünfte Frau ins Ziel und freute sich vor allem darüber, dass sie knapp zwölf Stunden schneller war als letztes Jahr.

Fotos: SCYENCE / Sebastian Samek

Effizienter ultraracen
Weit oben auf ihrer Liste an Verbesserungen stand die Befriedigung ihrer Grundbedürfnisse: Schlafen, Essen, Trinken. Da sie letztes Jahr zum allerersten Mal überhaupt ein Rennen über Nacht gefahren war, lief noch einiges schief, was dieses Mal deutlich besser klappte: „Ich hatte so viele Probleme mit Schlafplatz finden, mit dem Essen und Trinken und das hatte ich alles diesmal gar nicht. Ich habe mich bestens verpflegt, habe mich kein einziges Mal schwach gefühlt, immer genug getrunken, immer einen passenden Schlafplatz gefunden.“

New bike day weit vor dem Rennen

Aber auch beim Material gab es entscheidende Veränderungen. Letztes Jahr wurde kurz vor dem Rennen noch ein neues Rad eingeflogen, dieses Jahr war sie schon etwas länger auf ihrem Einhorn unterwegs. Der Carbon-Prototyp des neuen VRX ist dank des unter dem Lack verborgenen Carbonrahmen nicht nur leichter, sondern dürfte durch seine Custom-Lackierung auch mindestens eine Handvoll Motivations-Watt spendiert haben. Außerdem hat er Platz für richtig breite Reifen, aber Marion ist keine Anhängerin der „Mehr ist immer besser“-Philosophie. Nach diversen Tests trat sie auf 40 Millimeter breiten Continental Terra Trail an. Etwas breitere Reifen hätten die langen Abschnitte aus kiesigem Sand für sie auch nicht besser fahrbar gemacht, wären aber an den zahlreichen Anstiegen zusätzlicher Ballast gewesen.
Gewichtstuning beim Schlafsetup

Auch beim Rest ihrer Ausrüstung wurde abgespeckt. Biwaksack und Daunenjacke flogen raus, weil die Erfahrung letztes Jahr gezeigt hat, dass es in der südspanischen Wüste selbst nachts noch unerhört heiß ist. Ein ganzes Kilo hat Marion dadurch eingespart, ihre ohnehin kurzen Schlafpausen nur im Seidenschlafsack auf einer Isomatte zu verbringen. Außerdem eröffnete sich so die Möglichkeit, kleinere Taschen mitzunehmen und dadurch weiteres Gewicht zu sparen. Auch ihre Trinkweste war eine gewichtstechnisch optimale Möglichkeit, zwei Liter Wasser und Kleinkram mitzuführen. Am Rad waren weitere vier Flaschen verteilt, um insgesamt fünf Liter Flüssigkeit mitführen zu können. Außerdem unverzichtbar: ihre Cargobibs, um häufig benötigte Dinge wie das Telefon oder Snacks immer schnell greifbar zu haben.
Training heißt nicht nur Kilometer schrubben
Angesichts der Tatsache, dass ihre Vorbereitung alles andere als ideal war, ist die happige Zeitersparnis durchaus überraschend. Im Vorfeld gab es nämlich Dienstreisen en masse anstatt eines regelmäßigen Trainingsplans für Marion. Immerhin schaffte sie es irgendwie, diese Trips so zu legen, dass sie am Wochenende jeweils einen Orbit360 in der Nähe fahren konnte. (Ehrensache, dass sie die Gesamtwertung der Serie für sich entscheiden konnte.) Rein körperlich war das zwar nicht die optimale Vorbereitung, aber immerhin konnte sie so trainieren, möglichst kurze Pausen zu machen und möglichst effizient Wasser und Verpflegung aufzunehmen. Unglaubliche fünf Minuten Pausenzeit auf einem ganzen Orbit zu benötigen, kommt nicht von ungefähr.



Ende der Fahnenstange?
Obwohl sie satte 12 Stunden schneller war als letztes Jahr, kam Marion „nur“ als fünfte Frau ins Ziel. Das Rennen war einerseits stärker besetzt als im Vorjahr. Es wurde aber nicht nur schneller gefahren, die Unterschiede wurden auch verstärkt mit anderen Mitteln erkämpft. Schlafentzug aushalten zu können wurde ein wichtigerer, wenn nicht gar der entscheidende Faktor. Marion hegt Zweifel, ob das weiter ihr Ding ist. In Tüftelei am Equipment, effizientere Tankstellenstops und besseres Pacing kann sie sich vertiefen, aber es geht an die Substanz, wenn ein Nickerchen schon bedeuten kann, dass der erste Platz außer Reichweite ist. Natürlich ist das auch ein Zeichen dafür, dass auch bei Ultra-Rennen mit härteren Bandagen gekämpft wird und das Niveau steigt. Die große Frage ist aber, in welche Richtung sich solche Rennen weiterentwickeln und ob der Spaß auf der Strecke bleibt.
Warten wir ab, wie solche Rennen sich in Zukunft entwickeln – bis dahin lehnen wir uns zurück, genießen die Bilder aus Spanien und applaudieren Marion für ein weiteres unglaubliches Rennen.
